Von der Krise zur erfolgreichen Neuorientierung
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Veränderungsprozesse verlaufen nur selten geradlinig. Trotzdem haben sie eine innere Logik: Sie durchlaufen Phasen, welche die inneren Konflikte beschreiben, die Menschen in Veränderungen durchleben. Diese Phasen können als Zimmer dargestellt werden. Dabei öffnet sich der Übergang zum nächsten Zimmer erst dann, wenn im Innen oder im Aussen etwas passiert ist.
Zimmer der Zufriedenheit: Alles im grünen Bereich
Am Anfang ist meist noch "alles im grünen Bereich". Für viele ist es das Zimmer der Zufriedenheit, für andere das Zimmer der Routine, des Gewohnten, der Sicherheit oder des Komfortes: „Ich weiss, wie der Hase läuft und was ich zu tun habe, ich kenne meine Rolle, alles hat seinen Platz.“
Ein Blitz aus heiterem Himmel
Doch da katapultiert uns ein Ereignis aus dem Zimmer der Zufriedenheit. Meistens kommt es von aussen, manchmal auch von Innen, oft wie ein Blitz aus heiterem Himmel. So legen wir es uns zumindest im Nachhinein zurecht. Denn oft hätten wir schon vorher Hinweise wahrnehmen können, die auf ein nahendes Gewitter gedeutet hätten, wie ein schleichender Prozess, der zuerst lange im Versteckten gärt, bis er plötzlich an die Oberfläche tritt. Ereignisse, die uns aus dem grünen Bereich herauskatapultieren, sind beispielsweise
- ein/e neue/r Vorgesetzte/r,
- neue Spielregeln im Betrieb (Entlöhnung, Zusammenarbeit, Abläufe, Kontrolle, Information),
- eine neue Technologie, Digitalisierung
- neue Strukturen oder eine Fusion,
- Kritik von Vorgesetzten,
- massive Konflikte oder Mobbing,
- Herabstufung oder gar Entlassung,
- Erschöpfung, Sinnkrise oder Burnout,
- einschneidende Ereignisse im privaten Bereich wie Krankheit, Unfall, Trennung oder Tod einer nahestehenden Person
- Klimakrise, Epidemien, wirtschaftliche oder politische Umbrüche etc,
Der Übergang aus dem grünen Bereich ist wie eine Einwegtüre. Sobald der Blitz eingeschlagen hat, gibt es keinen Weg zurück. Aber es gibt auch keinen direkten Weg in die Erneuerung, so wie sich das viele wünschten.
Zimmer der Verneinung: Vorher war alles besser
Eines ist sicher: Wenn wir einmal aus dem grünen Bereich raus sind, ist nichts mehr wie früher. Unser Gleichgewicht und unser Selbstvertrauen sind erschüttert. Wir geraten unweigerlich in das Zimmer der Verneinung oder der Verleugnung: Vorher war alles besser! Je heftiger die Umstände, desto heftiger unsere Reaktion. Unsere instinktive Ablehnung hat durchaus ihren Sinn. Sie ist ein wichtiger Überlebensmechanismus, der uns hilft, uns nicht wegen jeder Störung von den eigenen Prioritäten und Gewohnheiten abbringen zu lassen und der deshalb Ausseneinflüsse zuerst einmal abwehrt. Doch bei manchen Ereignissen hilft es wenig, einfach den Kopf in den Sand zu stecken. Trotzdem ist die normale Reaktion zuerst ein grosses Nein, begleitet von starken Emotionen wie Wut, Fassungslosigkeit, Enttäuschung, Agression, Schuldzuweisungen, Vorwürfen, Selbstmitleid, Opferhaltung und Rachegefühlen. Wir alle kennen diesen Zustand: Wir möchten das Ereignis nicht wahrhaben und wünschten, dass es einfach weitergeht wie vorher. Wir listen alle Argumente für das Bisherige auf. Alles hat doch immer bestens funktioniert, wie es war. Wir hatten es doch so schön. Warum trifft es gerade mich? Warum soll jetzt plötzlich alles anders laufen? Warum soll das Vertraute und Gewohnte plötzlich nichts mehr gelten? Oft verklären wir das Alte geradezu und es erscheint besser als es je war. Aber es hilft alles nichts. Die Türe vom ersten Zimmer in das Zimmer der Verneinung ist eine Einwegtüre. Es gibt keinen Weg zurück in die Zufriedenheit und wir stecken unweigerlich in einer Krise.
Loslassen: Es ist so wie es ist!
Nach einer Weile des Aufbegehrens und des Widerstandes wird es allerdings den meisten klar, dass es kein Zurück in das Alte gibt, dass es eben so ist, wie es ist, auch wenn sie es sich anders gewünscht hätten, und dass es keinen Sinn hat, sich gegen das Unabänderliche zu sträuben. Erst diese rationale Einsicht des Loslassens ermöglicht den Schritt in die nächste Phase. Doch es gibt auch Menschen, die das nicht schaffen, sondern sich in einer Opferhaltung verbarrikadieren und im Zimmer der Verneinung verharren: Dies zeigt sich in Resignation, Vorwurfshaltung, Pessimismus, Demotivation, Passivität oder in einer „Dienst nach Vorschrift"-Haltung.
Dieser Übergang ist wie eine Drehtüre. Häufig bewegen wir uns von der nächsten Phase nochmals zurück in das Zimmer der Verneinung und drehen darin quasi nochmals eine „Ehrenrunde“ . Manche pendeln sogar für eine Weile zwischen den zwei Zimmern. Das Pendeln wird aber seltener, je klarer das Loslassen und das Sich-Abfinden mit dem Unabänderlichen sind: Es ist so wie es ist!
Zimmer der Verwirrung: Achterbahn
"Zwischen Stuhl und Bank“: Wir alle kennen das Gefühl. Das Alte ist unweigerlich verloren, aber es steht noch völlig in den Sternen, wie es weitergehen könnte. Wir sind im Zimmer der Verwirrung. Wir befinden uns in einem dauernden Auf und Ab, wie auf einer Achterbahn, mit sprunghaft ändernden und widerstrebende Gefühlen und Stimmungen: Rationale Einsicht, Trauer, Tränen, Lichtblicke, Wehmut, Angst, Ideen, Ambivalenz, Lähmung, manchmal auch Befreiung oder Loslassen. Die alten Rezepte und Methoden funktionieren nicht mehr. «Ich erkenne mich gar nicht mehr» sagen viele in dieser Phase und fragen sich, ob etwas nicht stimmt mit ihnen. Gleichzeitig tauchen aber auch erste neue Ideen, Möglichkeiten, Hypothesen, Phantasien oder Lösungsansätze auf. Doch unweigerlich kommen Gegenargumente, Zweifel, Ängste, welche diese Möglichkeiten schnell als Hirngespinste abtun. Wir sehen überall Fragezeichen, hören widerstreitende innere Stimmen, haben keinen Boden unter den Füssen und es fehlt uns an Orientierung. Viele beginnen in dieser Phase an ihren Fähigkeiten und ihrem Selbstwert zu zweifeln und sehen für sich keine Zukunft.
Das Zimmer der Verwirrung ist schwierig auszuhalten. Es hat aber durchaus seinen Sinn. Denn nur so sind wir bereit, uns aus dem gewohnten Fahrwasser herauszuwegen und auch Möglichkeiten zuzulassen, die wir auf den ersten Blick als unrealistisch verworfen hätten.
Bei der Achterbahn geht es einerseits um ein endgültiges Abschiednehmen vom Alten, verbunden mit viel Trauer: Ja, ich habe die Stelle verloren. Ja, ich habe jetzt einen neuen Chef. Gleichzeitig geht es aber auch darum, erste möglich Optionen anzudenken, wie es weitergehen könnte, zuerst zaghaft, dann immer klarer. Vieles passiert dabei im Unbewussten, wie in einer Inkubationsphase. Dabei ist es wichtig, sich nicht nur auf das Bekannte zu fixieren, sondern auch unsichere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Abschied und Blickwechsel
Um aus dem Tief herauszukommen, braucht es neben der rationalen auch eine emotionale Einsicht: Ich kann das Alte nicht nur äusserlich, sondern auch innerlich hinter mir lassen, habe mich abgenabelt und besinne mich jetzt auf meine eigenen Kräfte und Ressourcen. Dabei kommt es zu einer Änderung der inneren Struktur und Muster und zu einem Paradigmawechsel. Es ist als ob etwas stirbt und gleichzeitig etwas Neues geboren wird.
Licht am Horizont: Zimmer der Erneuerung (erster Teil)
Erstmal seit langem nehmen wir wieder Licht am Horizont wahr und der Nebel beginnt sich wenigstens zeitweise zu lichten. Diese Phase wird oft wie ein Zauber erlebt: Die Silberstreifen am Horizont verdichten sich, das Selbstbewusstsein kehrt zurück und das Leben scheint wieder lebenswert. Es ist eine Aufbruchstimmung, in der neugierig, mit Freude und mit einer Ausprobierhaltung neue Möglichkeiten und Grenzen ausgetestet werden. Das will nicht heissen, dass wir nicht doch noch einmal eine „Ehrenrunde“ in der Achterbahn drehen. Aber diese dauert in der Regel nicht mehr so lange wie früher.
Selbstvertrauen und Tatkraft
Irgendwann ist es dann, als ob definitiv ein Schalter umgelegt worden wäre. Jetzt sind Selbstvertrauen und Tatkraft wieder voll spürbar. Nun ist Anpacken, Ausprobieren und Handeln angesagt. Es geht um Neugestaltung, Kreativität und Schaffung eines neuen Gleichgewichtes.
Neuorientierung: Zimmer der Erneuerung (zweiter Teil)
Jetzt stehen all die kleinen und grösseren Schritten der Umsetzung und dann der Integration an. Dabei geht es nicht nur um die äusseren Veränderungen, sondern auch um die Veränderung unseres Selbstbildes: Wer und wie sind wir eigentlich? Langsam nehmen wir Kontakt auf mit einem neuen Selbstbild. So kommt es nach und nach zu einer Festigung, Stabilisierung und Konsolidation.
Doch irgendwann - früher oder später - wird auch das Neue zur Routine werden. Dann sind wir erneut im Zimmer der Zufriedenheit angelangt und der Kreis der Veränderung kann von Neuem einsetzen.
Schlussbemerkungen
Der direkte Weg, den sich viele wünschen, nämlich von der Zufriedenheit direkt in die Erneuerung funktioniert bei den Wenigsten. Auch ein schneller oder abgekürzter Weg durch die schwierigen Phasen der Ablehnung und der Achterbahn ist kaum möglich: Wer allzu schnell vorwärts prescht, ohne die inneren Phasen wirklich zu durchleben, riskiert spätere Rückfälle. Wie lange dauert das Ganze? Das lässt sich nicht allgemein beantworten. Wer schon viele Krisen und Veränderungen durchlebt hat, verweilt manchmal weniger lang in der Verleugnung, um dann allenfalls länger in der Phase der Achterbahn zu verharren. Ein anderer, der mit einem Schlag aus einer jahrelangen Routine herauskatapultiert wird, verbleibt möglicherweise länger in der Verneinung. Hat er aber diese Phase endlich überwunden, dauert die Verwirrung dann vielleicht nicht mehr so lange.
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Diese Beschreibung basiert auf den «Vier Zimmern der Veränderung» (Hansueli Eugster), den «Sterbephasen» (Elisabeth Kübler-Ross) und der «Trauerkrise» ( Verena Kast).